Arendt, Hannah (1906-1975)

Der Schwerpunkt der deutsch-amerikanischen Philosophin Hannah Arendt war wohl immer die politische Philosophie. Als Jüdin musste und wollte sie das nationalsozialistische Deutschland 1933 verlassen. Über Frankreich landete sie schließlich 1941 in den USA. Als ihr Hauptwerk gilt wohl „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, ihr sogenanntes Totalitarismusbuch, mit dem sie auch in Deutschland (Erscheinung: 1955) große Aufmerksamkeit erhielt. Bekannt ist auch ihre kurze Liaison mit dem Philosophen Martin Heidegger. Damals war sie 19-jährige Studentin in Marburg.

Der Sinn von Politik ist Freiheit.

(Quelle: Arendt, Hannah: Was ist Politik?)

Menschen, die nicht denken, sind wie Schlafwandler.

(Quelle: Arendt, Hannah: Vom Leben des Geistes.)

Die Alternative Kapitalismus-Sozialismus ist keine wirkliche Alternative. Dies sind gleiche Brüder mit ungleichen Kappen.

(Quelle: Arendt, Hannah: Macht und Gewalt.)

Wichtige Stationen in Hannah Arendts Leben und Werk

Gerade in Deutschland hat Hannah Arendt durch einen ganz neuen Film (Regie: Margarethe von Trotta) in letzter Zeit wohl wieder einiges an Aufmerksamkeit bekommen können. Auffallend ist vor allem an ihr, dass sie eine sehr starke Frau war und eine der wenigen weiblichen Philosophinnen ist, die überhaupt in die philosophische Geistesgeschichte Einzug gehalten hat. Zwar studierte sie u.a. bei Martin Heidegger als Philosophin. Später jedoch lehnte sie diese Bezeichnung für sich selbst ab und benannte sich selbst als eine, die in und an der politischen Theorie arbeiten würde. Und in der Tat: Ihre meisten Werke haben einen gesellschaftspolitischen oder gar einen politologischen Bezug.
 Die Politikwissenschaft nimmt heutzutage auch Bezug auf sie.

Hannah Arendt entstammte einer liberalen bzw. sozialdemokratischen jüdischen Familie ab. In dieser Familie stand auch die Bildung der Frauen an der Tagesordnung. Mit 14 Jahren las sie Kants Kritik der reinen Vernunft. Geboren in Hannover ging sie in Königsberg auf die Schule (inklusive eines Abstechers nach Berlin). 1924 machte sie dort Abitur.

Im selben Jahr kam sie auch nach Marburg, wo sie Heidegger kennenlernte und beide sich ineinander verliebten (Heidegger war damals schon 35). Anschließend studierte sie 1 Semester bei Husserl in Freiburg. Ihren Abschluss machte sie allerdings 1928 bei Karl Jaspers, mit dem sie ein leben lang freundschaftlich in Verbindung stand. Der Abschluss bestand in einer Promotion über Augustinus.

Nach ihrem Studium ging sie zunächst nach Berlin und lernte dort Günther Stern kennen, den sie 1929 heiratete. Nach Aufenthalt in Heidelberg und später in Frankfurt am Main (Sterns Dissertation wurde von Adorno damals nicht angenommen), kehrte sie nach Berlin zurück. 1933 folgte dann, nachdem ihr Mann schon dort war, die Emigration nach Paris. Seit dieser Zeit engagierte sie sich auch für zionistische Organisationen, um der Judenverfolgung im nationalsozialistischen Deutschland etwas entgegenzusetzen. Arendt verstand sich immer mehr als Jüdin denn als Deutsche, obwohl sie auch in Bezug zu Israel sicherlich keine Hardcore-Patriotin war. Das Humane war ihr immer wichtiger.

Da Arendt im Wesentlichen zum Lebensunterhalt beitrug (Stern eher nicht) und sie auch im Gegensatz zu ihrem Mann in zionistischen Kreisen verkehrte, entfremdete sich das Paar. 1937 kam es zur Scheidung. 1940 heiratete sie schließlich Heinrich Blücher.

1940 eroberte Nazi-Deutschland auch Frankreich und für deutsche Flüchtlinge brachen schwere Zeiten an. Arendt kam in ein Lager, aus dem sie aber flüchten konnte. Über Portugal gelangte sie in die USA.

Anfangs lebten Blücher und Arendt vor allem von Begünstigungen zionistischer Organisationen, welches Geld allerdings Arendt eintrieb. Sie arbeitete für verschiedene jüdische und zionistische Einrichtungen publizistisch, als Lehrkraft und organisationell und konnte so den Lebensunterhalt sichern.

Einschneidend aus philosophischer Sicht ist Arendts Totalitarismusbuch, das sie zuerst in englischer, später auch in deutscher Sprache veröffentlichte. Kernthese ist wohl, dass sie den Nationalsozialismus sowie den Stalinismus/Sowjetkommunismus beide als totalitäre Systeme beschreibt und sie von anderen Formen der Diktatur unterscheidet. Die Gleichsetzung von Kommunismus und Nationalsozialismus war damals eher ungewöhnlich und neu. Die Totalitarität der beiden Regime-Formen bestände in ihrer Ausweitung auf sämtliche Bereiche des Lebens. Damit unterschied sie den Totalitarismus auch von Ditkaturen wie beispielsweise die der DDR. Diese differenzierte Analyse wird heute auch noch sehr ernst genommen und ist Grundlage für weitere Regime-Theorien in der Politikwissenschaft.

1951 wurde sie US-Amerikanische Staatsbürgerin, nachdem sie 1937 in Deutschland ausgebürgert worden war. 1953 wurde sie Professorin in den USA. Bekanntheit erlangte sie dann vor allem mit ihrer Studie über die „Banalität des Bösen“ unter dem Eindruck des Eichmann-Prozesses in Jerusalem. Dieses Thema wird wesentlich in von Trottas Arendt-Film aufgenommen.

1975 starb Arendt nach einem außerordentlich tätigen Leben in den USA an einem Herzinfarkt.

Arendts wichtigste Werke sind wohl diese:

  • Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (Englisch: The Origins of Totalitarianism).
  • Vita activa oder vom tätigen Leben (Englisch: The Human Condition).
  •  Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen (Englisch: Eichmann in Jerusalem: A Report on the Banality of Evil.)
  • Über die Revolution (Englisch: On Revolution).
  • Macht und Gewalt (Englisch: On Violence).

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Video über Hannah Arendt (Interview mit Günter Gaus – legendär!)

Kurze Rezension zum Hannah Arendt Film (2013/Margarethe von Trotta)

Mein Fazit wäre, dass der Film richtig gut ist und es sollte definitiv mehr Philosophie für das Kino produziert werden. Es wird nicht Arendts vollständiges Leben dargestellt, sondern lediglich ein bestimmter Ausschnitt aus ihrem Leben. Es geht vor allem um den Konflikt, den sie in den USA betreffs des Eichmann-Prozesses ausgelöst hatte. Sie kommt im Film als starke Frau rüber, allerdings glaube ich, dass sie im echten Leben noch etwas ernster war als im Film und etwas bescheidener. Aber das mag mein subjektiver Eindruck gewesen sein. Das Denglisch, welches sie im Film spricht, nervt manchmal, aber sie mag es wirklich so gesprochen haben (kann ich nicht beurteilen).

Ein unglaublich wichtiger Film über eine hoffentlich, im deutschen Bewusstsein noch nicht vergessene Philosophin.

Trailer zum Hannah-Arendt-Film (Regie: Margarethe von Trotta)